geöffnete, weiße Apfelblüte, von noch geschlossenen, rötliche Knospen umgeben

Streuobstwiesen

Wertvoller Lebensraum - Immer ein Hingucker!



Zur Zeit kann man sie wieder vielerorts in prachtvoller Blüte sehen :
Obstbaumhochstämme, die einzeln, in Reihen, in kleinen Gruppen oder in größeren Beständen auf Streuobstwiesen markante Landmarken setzen.
Auch im Main-Tauber-Kreis gibt es noch zahlreiche Streuobstbestände, die jedoch wie im ganzen Land, in den letzten 50 Jahren stark zurückgegangen und als gefährdet eingestuft werden.
Als Hauptursachen gelten die Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsflächen und die Nutzungsaufgabe infolge der geringen Erlöse beim Verkauf des Obstes oder der daraus hergestellten Produkte.
Auch Prämien für die Rodung und Beseitigung hochstämmiger Obstbäume zur leichteren Bewirtschaftung von Äckern und Wiesen haben in der Vergangenheit zum Rückgang von Streuobstbäumen beigetragen. 

großer, blühender Apfelbaum am Wegrain
Harthäuser Tal

Waren zu früheren Zeiten viele ländlichen Dörfer von einem Streuobstgürtel umgeben, so sind heutzutage meist nur noch Restbestände davon zu  sehen.
Ein besonders schönes Beispiel davon bietet sich in Neuses :
Dort hat sich an der Westseite des Dorfes noch eine wunderschöne Streuobstwiese erhalten.
Äpfel, Birnen, Walnuss, Kirschen und anderes Steinobst bilden hier noch einen wertvollen Lebensraum, der besonders zur Blütezeit herrliche Ansichten bietet.
Aber auch rund um Reckerstal oder im Harthäuser Tal bieten sich im Mai herrliche Bilder.

Impressionen aus Neuses :

Obstwiese, im Hintergrund der Neuseser Kirchturm
Ansicht alter Obstbäume
Blick in eine gemähte Obstbaumreihe
Äste mit dichtem Blütenansatz
Apfelblüte
Ansicht der Obstwiese mit großem Nussbaum im Vordergrund
Walnussbaum
Ansicht der Obstwiese
Obstbaumreihe mit alten, verzweigten Bäumen

Wissenswertes zur Streuobstwiese
 
Streuobstbestände sind eine einzigartige, historisch entstandene Form des extensiven Obstbaus.
Charakteristisch sind starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume, die in lockeren Beständen stehen und in vielen Teilen Baden-Württembergs das Landschaftsbild prägen.
Streuobstbestände sind häufig aus Obstbäumen verschiedener Arten, Sorten und Altersklassen zusammengesetzt und gehören zu den artenreichsten Landnutzungsformen Europas.
Sie bestehen in der Regel aus Hoch- und Halbstämmen. Während vom Naturschutz der Wert hochstämmiger Bäume für die biologische Vielfalt hervorgehoben wird,
finden bei Bewirtschaftern Halbstämme auf Grund ihrer besseren Zugänglichkeit bei der Pflege mehr Beachtung.
Im Unterschied zu modernen, intensiv bewirtschafteten Obstanlagen mit dichten Pflanzungen ist in Streuobstbeständen stets der Einzelbaum erkennbar. Pflanzenschutzmittel werden nur selten eingesetzt.
Typisch für Streuobstbestände ist auch die Nutzung des Unterwuchses durch Mahd oder durch Beweidung.
Ohne regelmäßige Pflege werden Streuobstwiesen bald zu Wald, die Bäume vergreisen und typische Arten der halboffenen Standorte verschwinden.
Die Aufgabe der Bewirtschaftung, aber auch eine Intensivierung der Nutzung des Grünlands im Unterwuchs der Streuobstbäume,
zum Beispiel durch starke Düngung oder häufige Mahd, sorgen für einen Rückgang der Artenvielfalt.

Obstbaumreihen vor der Reckerstaler Kapelle
Reckerstal


Strukturvielfalt und Artenreichtum

Streuobstwiesen spielen für die biologische Vielfalt in Mitteleuropa
eine herausragende und für die Zukunft wichtige Rolle.
Mit über 5.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten zählen sie zu den artenreichsten Lebensräumen.

Mehrschichtiger Aufbau

Eine einzige Streuobstwiese kann bis zu 450 Pflanzenarten und um die 3000 Tierarten beheimaten!
Im Gegensatz zum modernen, niederstämmigen Intensivobstbau, zeichnen sich Streuobstwiesen durch einen besonders reich strukturierten Lebensraum aus, der artenreiche Lebensgemeinschaften beherbergt.
Charakteristisch für Streuobstwiesen sind vielfältige Strukturen und ihr mehrschichtiger Aufbau, der sich aus der Kombination von hochstämmigen Obstbäumen und krautigem Unterwuchs ergibt.
Sie stellen in dieser Form einzigartige Kulturbiotope mit einem hohen ökologischen Wert dar.

Ansicht eines Stamms mit großer Nisthöhle
Großhöhle, Nistmöglichkeit z.B. für Eulen oder Spechte
Ansicht eines Baumstamms mit Nisthöhle
überwallte Dürräste, Tagesquartier z.B. für Fledermäuse

Vögel, Insekten und viele andere Kleinlebewesen bevölkern Stämme, Blüten, Knospen und Früchte der Obstbäume.
Auf dem Stamm findet man das Jagdrevier verschiedener Spinnen.
Er beherbergt aber auch zahlreiche Käferarten, von denen sich einige vom Holz der Bäume ernähren.

Eine Vorliebe für die verlassenen Fraßgänge der Käfer haben beispielsweise Wildbienen, die sie als Niststätte nutzen.
In den Rissen und Spalten der Baumrinde entwickelt sich die nächste Heuschreckengeneration.

Von Leben wimmelt es auch in der untersten Etage der Streuobstwiesen, die in vielfältiger Beziehung zur "Baumetage" steht.
Die artenreiche Vegetation der Wiesen und Weiden ist Lebensraum und Nahrungsquelle für viele Wirbellose.
Angelockt vom reichhaltigen Nektar- und Pollenangebot vieler Streuobstwiesen, bilden blütenbesuchende Insekten die Grundlage für andere räuberische Insekten.
Auf einer höheren Stufe in der Nahrungskette folgen insektenfressende Kleintiere wie Spitzmaus und Igel sowie Vögel.

Ein Mosaik unterschiedlicher Nischen und Kleinlebensräume findet sich nicht nur in den Streuobstwiesen selbst, sondern auch im Übergangsbereich zu angrenzenden Lebensräumen wie Feldraine, Hecken, Waldränder oder Bachläufe.
Sie bieten aufgrund ihrer wechselseitigen Beziehungen artenreichen Tier- und Pflanzengesellschaften ein reichhaltiges Angebot an Nahrung, Wohnstätten und Rückzugsmöglichkeiten.

Grünlandnutzung

Maßgeblich für das vielseitige Artenspektrum ist auch die Bewirtschaftungsweise des Unterwuchses.
Nutzungsintensität, Schnitthäufigkeit, Beweidung und Düngung fördern oder mindern abhängig von der Häufigkeit bzw. Intensität des Eingriffs die Vielfalt von Fauna und Flora.
Gravierende Folgen hat der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das Vorkommen von Insekten, Spinnen und andere Wirbellose.
Sie wiederum bilden eine wichtige, eiweißreiche Nahrungsquelle besonders während der Jungenaufzucht für viele in Streuobstbeständen heimische Vogelarten.
Standörtliche Gegebenheiten wie Klima, Relief, Kalk- oder Silikatuntergrund und Topographie sind weitere Aspekte, die die Artenzusammensetzung beeinflussen.
Die Flora einiger Streuobstwiesen umfasst viele auf Magerwiesen vorkommende Pflanzenarten.
Auf mäßig trockenen bis mäßig feuchten Wiesen sind Schlüssel- und Witwenblumen, Veilchen, Margeriten, Wiesensalbei, verschiedene Kleearten zu finden,
gelegentlich sogar die eine oder andere Orchideenart.

weiße Apfelblüten,Reckerstaler Kapelle im Hintergrund
Bei Reckerstal

Wofür brauchen wir Streuobst?

In und um Städte herum bieten die Wiesen Naturerlebnis- und Erholungsraum für Familien und stressgeplagte oder naturhungrige Zeitgenossen.
Und ganz nebenbei erfüllen die Streuobstwiesen noch eine wichtige Funktion für den Boden- und Gewässerschutz.
Jedes Frühjahr bieten die Streuobstbäume mit ihrer Blütenpracht ein wunderschönes Bild. Aber auch im Sommer, Herbst und Winter locken sie Ausflügler mit ihrer zwischen Blüte, Frucht und Herbstlaub wechselnden Erscheinung.
Ob zum Wandern, Fahrrad fahren oder es sich an der frischen Luft gemütlich machen, das vielseitige Landschaftsbild bietet Raum für jeden, der sich vom Alltag erholen und die Natur genießen möchte.
Außerdem stellen Streuobstwiesen für viele Ortsansässige auch ein Stück Heimat dar und sind somit wichtig für die regionale Identität.
Ein weiterer Aspekt sind die vielfältigen Streuobstprodukte.
Ungezuckerte, naturtrübe Obstsäfte, ungespritztes Obst in verschiedensten Variationen
oder unbehandelte Walnüsse im Müsli:
Spritzmittelfreie Streuobstprodukte sind gesund, vielseitig und schmecken einfach gut.


Schutz und Gefährdung von Streuobst

Streuobstwiesen haben für Insekten, Vögel, Säugetiere und auch für den genetischen Sortenerhalt 
eine vielfältige Bedeutung.
Viele landwirtschaftliche Betriebe, Vereine, Genossenschaften und vor allem auch Privatpersonen kümmern sich um die Streuobstbäume und das wichtige Grünland unter den Bäumen.
Aus gutem Grund hat das Land Baden-Württemberg am 22. Juli 2020 mit der Änderung des Naturschutzgesetzes im Biodiversitätsstärkungsgesetz Streuobstbestände unter Schutz gestellt.
Das Entfernen der Bäume muss nun genehmigt werden. Diese Gesetzesänderung ist ein Erfolg des Volksbegehrens Artenschutz - "Rettet die Bienen".
Seit der Gesetzesänderung stehen Streuobstbestände über 1.500 m2 unter Schutz. Werden auf diesen Flächen trotzdem Streuobstbestände gefällt, bedarf es einer Genehmigung.
Die Rechtmäßigkeit kann bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes oder der Umweltmeldestelle des Landes erfragt werden.

Apfelblüten am grünbelaubten Zweig, im Hintergrund Harthausen
Am Römerweg